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Das neue Sterbeverfügungsgesetz

Mit seiner Entscheidung GZ: G 139/2019 vom 11.12.2020 hob der Verfassungsgerichtshof (VfGH) das Verbot jeder Art der Hilfe zum Suizid als verfassungswidrig auf. Im neuen Sterbeverfügungsgesetzes (STVfG; RV 1177 BlgNR 27. GP) und der Änderung des Strafgesetzbuchs (StGB) sowie des Suchtmittelgesetzes (SMG) ist die Beihilfe zum Suizid mit Geltung ab 01.01.2022 nunmehr neu geregelt. Die Thematik der Sterbehilfe wurde auch von Ferdinand von Schirach in seinem Werk „GOTT“ aufgegriffen, welches derzeit am Grazer Schauspielhaus unter unserer Beratung und Mitarbeit zu sehen ist. Details

Stand: 02/2022

Verfasser:

„Wer einen anderen dazu verleitet, sich selbst zu töten, oder ihm dazu Hilfe leistet, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.“ (§ 78 StGB alt)

Die Wortfolge obiger Gesetzesbestimmung „oder ihm dazu Hilfe leistet“ wurde auf Antrag mehrerer Betroffener vom Verfassungsgerichtshof mit Ablauf des 31.12.2021 als verfassungswidrig aufgehoben. Sie verstößt gegen das Recht auf Selbstbestimmung, weil sie jede Art der Hilfeleistung unter allen Umständen verbietet. Aus mehreren Grundrechten wie insbesondere dem Recht auf Privatleben, dem Recht auf Leben und dem Gleichheitsgrundsatz, ist das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht des Einzelnen auf freie Selbstbestimmung ableitbar. Dieses Recht auf freie Selbstbestimmung umfasst das Recht auf die Gestaltung des Lebens ebenso wie das Recht auf ein menschenwürdiges Sterben. Das Recht auf freie Selbstbestimmung umfasst auch das Recht des Suizidwilligen, die Hilfe eines dazu bereiten Dritten in Anspruch zu nehmen. (VfGH, G 139/2019)

Das mit 01.01.2022 in Kraft getretene Sterbeverfügungsgesetz soll einen gesicherten Rahmen für die Leistung und Inanspruchnahme von Assistenz beim Suizid bieten. Es regelt das Zustandekommen und die Wirksamkeit von Sterbeverfügungen, angelehnt an die Bestimmungen im Patientenverfügungsgesetz (PatVG) und bedingt eine Änderung des Suchtmittelgesetzes (u.a. § 7 SMG) sowie des Strafgesetzbuches (§ 78 StGB). Die gesetzliche Neuregelung sieht neben bestimmten Auflagen ein einzuhaltendes Prozedere mit Ärzten, die Einhaltung einer Bedenkzeit sowie die wirksame Errichtung einer Sterbeverfügung als Voraussetzung für die Aushändigung eines tödlichen Präparates (u.a. Natrium-Pentobarbital) durch öffentliche Apotheken vor. Regelungen zur Durchführung des Suizids wurden nicht getroffen. Die unmittelbare Tötungshandlung ist jedoch von der suizidwilligen Person selbst vorzunehmen.

Unabhängig davon bleiben das Verleiten zur Selbsttötung (§ 78 Abs 1 StGB) und die Tötung auf Verlangen (§ 77 StGB) weiterhin verboten und strafbar.

Auch die "Mitwirkung an der Selbsttötung" - früher "Mitwirkung am Selbstmord" - bleibt unter bestimmten Umständen weiterhin strafbar (§ 78 Abs 2 StGB), nämlich wenn jemand einer minderjährigen Person, einer Person aus einem verwerflichen Beweggrund (z.B. Geldgier, Erbschaft), einer Person, die nicht an einer schweren Krankheit im Sinne des StVfG leidet oder einer Person, die nicht im Sinne des StVfG ärztlich aufgeklärt wurde, dazu physisch Hilfe leistet.

Ebenso strafbar bleiben weiterhin u.a. das Besorgen von Waffen und von anderen Medikamenten als gesetzlich vorgesehen sowie der Transport an entsprechende Orte zur Durchführung von Suizid. Aufgehoben ist die Strafbarkeit der Beratung Sterbewilliger, solange es sich nicht um eine Verleitung zum Suizid handelt.

Wirksame Sterbeverfügungen können nur von volljährigen und entscheidungsfähigen1 Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich bzw. der österreichischen Staatsbürgerschaft, welche an einer unheilbaren, zum Tod führenden Krankheit oder an einer schweren, dauerhaften Krankheit mit anhaltenden Symptomen leiden, deren Folgen die betroffenen Personen in ihrer gesamten Lebensführung dauerhaft beeinträchtigen, höchstpersönlich errichtet werden. Es kommen sowohl körperliche als auch psychische Erkrankungen in Betracht. Der aus der Krankheit resultierende Leidenszustand darf nicht anders als durch Suizid abwendbar sein.

Der Verfassung einer Sterbeverfügung hat eine Aufklärung durch zwei berufsberechtigte Ärzte (einem mit palliativmedizinischer Qualifikation) voranzugehen, welche die Entscheidungsfähigkeit und Selbstbestimmtheit des Sterbewilligen zu bestätigen haben. Zwischen der Aufklärung und Errichtung der Sterbeverfügung muss ein Zeitraum von mindestens zwölf Wochen (im Falle des Eintretens in die terminale Phase der Erkrankung zwei Wochen) und maximal einem Jahr liegen.

Die eigentliche Errichtung der Sterbeverfügung soll – so wie jene einer Patientenverfügung – vor einem Notar oder einem rechtskundigen Mitarbeiter der Patientenanwaltschaft erfolgen.

Die Gültigkeit der Sterbeverfügung ist mit einem Jahr begrenzt. Vor Zeitablauf kann sie jederzeit vom Errichter widerrufen werden. Nach Ablauf ist das gesetzlich vorgesehene Prozedere erneut zu durchlaufen.

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